Donnerstag

2 03 2012

Heute haben wir einen sehr spannenden Ausflug mit Dr.Leveau unternommen. Um mir ein bisschen Arbeit abzunehmen, hat Julian was dazu geschrieben:

Heute geht es mit Dr. Leveau zu einem Ausseneinsatz am Monte de los Olivos in eine kleine Gesundheitsstaton 70 Kilometer von Pucallpa entfernt. Irgendwann zwischen 8 und 9 steigen wir in den dunklen Gelaendewagen des Gesundheitsministeriums. Am Steuer sitzt der freundliche Fahrer Roberto, der ausserdem noch Pfarrer in einer kleinen Gemeinde ist.

Erster Halt: Unser Hotel, um die Wanderschuhe von Elisa zu holen.

Zweiter Halt: Ein Obststand am Strassenrand. Wir essen gruene Mandarinen und trinken Zuckerrohrsaft. In einem Stuhl am Rande des Obststandes sitzt ein alter Mann, der Nierenkrank ist. Die Obstverkaeuferin praesentiert uns einen kleinen Ast eines Baumes (Raiz de huasai), den sie in Wasser kocht, bis es gelb wird. Dann gibt sie das Wasser dem Erkrankten, damit er es trinkt und wieder Wasser Lassen kann.
Mit den Taschen voller Mandarinen geht es weiter.

Dritter Halt: Monte de los Olivos. Nach 9 Kilometern Ruckelpiste sind wir bei der kleinen Gesundheitsstatin angekommen. Das kleine Dorf liegt zentral in einer Ansammlung von kleinen Doerfern, die von der Gesundheitsstation versorgt werden. Hier sind die meisten Menshen Bauern und es gibt nur wenige Transportmoeglichkeiten.  Wir werden von Ana Zamolla, der oertlichen Hebamme,  empfangen. Sie zeigt uns die Posta und die Casa de espera (casa de espera: ein kleines Wohnhaus  neben der Posta, in dem die Schwangere und ihre Familie auf die Geburt warten koennen, damit die Geburt ohne Hektik in der Gesundheitsstation durchgefuehrt werden kann) und beantwortet all unsere Fragen.

Ana ist um die 40 und kommt aus Lima. Sie lebt seit 11 Jahren in der Gemeinde und kuemmert sich leidenschaftlich um die schwangeren Frauen, aber auch um alle anderen Anwohner. Sie ist eine beeindruckende Frau, die ihr Leben in Lima hinter sich gelassen hat, um in einem kleinen Dorf in der Selva ihren Platz zu finden und ihre Idee von einem Casa de espera umzusetzen.

Ana erzaehlt, dass sie zum ersten Mal in einem Buch von den casas gelesen habe. Sie hat begonnen nach Mitteln zu suchen und schliesslich bei einem Wettbewerb 2000 Soles gewonnen, mit denen 2009 der Grundstein gelegt werde konnte.
Das Haus ist einfach gebaut. Es hat Waende aus Holz, eine kleine Kueche und 5 Betten. Innen ist es staubig. Die Frauen muessen es selbst saubermachen. Dr. Leveau erklaert, dass, als das Haus blitzblank geputzt war, viele Frauen nicht eintreten wollten, aus Angst sie koennten es verschmutzen.
Nun koennen Frauen mit ihren Familien, wenn es soweit ist, einziehen und auf die Geburt ihres Kindes warten. Sie bringen ihr eigenes Essen mit und kochen selbst. Auch nach der Geburt koennen sie sich noch eine Weile dort erholen. Der Aufenthalt kostet mindestens 5 Soles und kann auch in Fruechten bezahlt werden.
Ana sagt, dass mittlerweile 9 von 10 Frauen aus ihrem Bereich vor der Geburt im Casa de espera wohnen. Sie koennen fast alle Schwangeren in der laendlichen Gegend medizinisch ueberwacht werden und die Geburt unter professoneller Aufsicht durchgefuehrt werden. Kritische Faelle koennen mit zeitlichem Vorlauf erkannt und in die Klinik in Pucallpa geschickt werden. Seit 2009 haben etwa 120 Frauen das Angebot angenommen.

Fuer die Geburt koennen die Frauen die Methode waehlen, die ihnen am besten gefaellt: vertikal oder horizontal. Ana erklaert, dass es sehr wichtig ist, sich auf die Wuensche der Frauen einzulassen, damit diese bei der Geburt so entspannt wie moeglich sind. Sie hat sogar Decken aus der Sierra, falls eine Frau bei der Geburt lieber auf solch einer Decke liegen moechte.

An der Wand der Posta haengen verschiedene Grafiken. Zum Beispiel zeigt eine Karte die Orte, wo Schwangere oder Frischgeborene wohnen und wie weit sie von der Posta entfernt sind. Eine andere Graphik zeigt, wie viele der Schwangeren Frauen minderjaehrig sind. Im Moment sind 14 von 33 Schwangeren unter 19 Jahren. Ana meint, dass die jugendliche Schwangerschaft immernoch ei n Problem ist, obwohl sie sehr viel Aufklaerungsarbeit betreibt. Ausserdem, fuegt sie hinzu, kommen auch von ausserhalb junge Muetter zu ihr, wo sie nichts tun kann.

In der kleinen Gesundheitsstation arbeitet auch ein junger Arzt, der gerade sein “Serum” macht. Nach dem akademischen Teil der Ausbildung muessen die peruanischen Aerzte in ein kleines Dorf in die Selva oder Sierra und sich dort um die Gemeinde kuemmern und die erste Stufe der medizinsichen Versorgung sicherstellen. So lernen sie (hoffentlich) mit ihrer Gemeinde zu kommunizieren, sie zu organisiern und Informationsarbeit zu machen. Ausserdem lernen sie so die peruanische Realitaet abseits der grossen Staedte kennen. Jedes Jahr kommt also ein neuer Arzt zu Ana, den sie wieder einweisen muss. Doch sie findet es schoen, dass sie ihnen so viel zeigen kann und es bleiben viele Freundschaften.

Hin und wieder erhaelt sie auch besuch aus dem Ausland. Eine Hebamme aus den USA hat 6 Monate mit im Dorf gelebt und mit Ana die Doerfer besucht, Vortraege gehalten und Geburten ueberwacht. Ein anderes Mal ist eine spanische Aerztin fuer eine Woche bei ihr gewesen und hat spaeter ein Buch ueber das Projekt geschrieben.
Ana findet den Erfahrunsaustausch schoen. Sie sagt, sie kann den Besuchern viel ueber de vertikale Geburt lehren und lernt auch viel von der Erfahrung anderer.

Das Casa de Espera wurde mit Donationen und Gewinnen aus Auschreibungen erbaut. Die Gesundheitsstation nebenan finanziert sich ueber das Gesundheitsministerium und wird im Moment sogar erweitert. Dennoch gibt das Gesundheitsministerium kein Geld fuer das Casa de espera. Dr. Leveau erklaert, dass das Projekt so gut funktioniert, weil es im Dorf eine engagierte Person gibt, die sich aber nur als eine Mediatorin sieht, die die Wuensche der Gemeinde organisiert und verwirklicht. Das casa de espera ist nicht von fernen Entscheidungtraegern entworfen worden, sondern von den Gemeindemitbewohnern und orientiert sich an dessen Vorstelungen und Beduerfnissen. Es ist ein einfaches, staubiges Haus, in dem sich die Familien selber kochen und seber putzen muessen, so, wie sie es von zu Hause gewoehnt sich. Und so soll es auch bleiben.
Ana erzaehlt, dass in einer angrenzenden Gemeinde ein grosses casa de espera gebaut wurde. Dieses sieht aber mehr aus wie eine kleine Klinik, steril und unwohnlich. Die Frauen fuehlen sich dort nicht wohl und nehmen das Angebot nicht an. Die Erbauer haben sich nicht an der Beduerfnissen der Einwohner, sondern an ihren eigenen Vortellungen orientiert.

Waehrend wir uns mit ihr unterhalten, fragt Ana, ob wir mit dem Auto des Gesundheitsministeriums eine 15jaehrige Schwangere aus einem 16km entfernten Dorf abholen koennten, die eigentlich schon seit 4 Tagen im Casa de espera sein sollte. Die Expedition ist schnell beschlossen. Roberto, der Fahrer, zapft auf klassiche Weise mit dem Schlauch den Benzintank der Gesundheitsstation an und fuellt neues Benzin in das Auto nach. Ueber holprige Strassen und loechrige Bruecken erreichen wir das kleine Dorf. Nach ein wenig Ueberzeugungsarbeit ist die Jugendliche bereit mitzukommen. Nachdem sie ihre Sachen gepackt hat steigen wir wieder ins Auto und fahren zur Gesundheitsstation zurueck.
Nach kurzem Verabschieden machen wir uns in dichtem Regen auf den Weg zurueck nach Pucallpa.

Genug Abendteuer fuer einen Tag.



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